Veraltet, aber ansehnlich
Nachdem wir die später für die Kickstarter-Backer veröffentlichte und visuell extrem angestaubte Demo von "Shenmue III" auf der gamescom spielen konnten, hat uns die finale Fassung (gespielt in Version 1.02) grafisch insgesamt positiv überrascht. Die Umgebungen, gerade im vergleichsweise naturbelassenen Bailu mit Flusslandschaften, Bergen und saftig grünen Wiesen, würden sich in ihrer Detailverliebtheit bestens als Fotokartenmotiv machen. Besonders schön sieht das Spiel bei Morgendämmerung oder bei untergehender Sonne aus. Da bricht sich das Licht fast schon kunstvoll in den Baumkronen oder strahlt uns blutrot aus niedrigem Winkel entgegen.
Dass Ryo an unsichtbaren Kanten regelmässig hängen bleibt, seine und auch die Mimik der anderen Charaktere oft wie aus einem Spiel von vor 15 Jahren wirkt oder viel zu häufig ein schnöder schwarzer Ladebildschirm zu sehen ist, ändert letztlich wenig an der gelungenen Kulisse. Aber das gilt - obgleich "Shenmue III" zudem selten längere Zeit am Stück flüssig läuft oder der Fussball eines Jungen, den wir ihm im Rahmen einer Nebenmission besorgten, in der Cutscene nicht zu sehen ist - nicht zuletzt auch für die Musik. Die hat bei der Erkundung oft etwas Hypnotisches, sodass wir manchmal zu verstehen glauben, was Chi eigentlich genau bedeutet. Der Score braust meist an den richtigen Stellen etwas auf, wodurch die Dramatik einer Szene oder auch ein gutes Gelingen in einem der Minispiele passend zur Geltung kommt.
Fazit
"Shenmue III" ist in seiner gesamten Machart definitiv ein Relikt aus alter Zeit. Teils umständliche, übertrieben zeitaufwendige Spielmechaniken und etliche künstliche Restriktionen sind hier an der Tagesordnung. Das Spielgefühl erinnert deshalb, ungeachtet einzelner kleinerer Komfortverbesserungen, an die beiden mehr als 18 Jahre alten Vorgänger. Das ist insbesondere aus Sicht eines Serienfans wohl kaum ein Manko, denn beim Spielen ist es dadurch eben beinahe so, als wenn man nicht fast zwei Dekaden auf die erste von möglicherweise noch folgenden Fortsetzungen hätte warten müssen.
Spieler, die die ersten beiden Teile damals nicht gespielt haben, dürften das etwas anders sehen und sich über so manchen veralteten Mechanismus auch mal mehr als nur dezent ärgern. Allerdings sind wir davon überzeugt, dass "Shenmue III" seine Reize auch neuen Spielern vermitteln kann - der Autor dieser Zeilen hat die Vorgänger indes selbst nicht bereits beim Ur-Release gespielt. Perfekt mag hier vieles nicht sein, ob nun Gameplay, Inszenierung oder Technik. Doch die Faszination der Spielwelt ist da, immer spürbar, selbst dann, wenn der Titel es modernen Spielern besonders schwer macht oder ihr euch vergnügt mit scheinbaren Nebensächlichkeiten Stunde für Stunde um die Ohren schlagen werdet. Nein, erwartet kein Triple-A-Werk, kein glattgeschliffenes Abenteuer ohne Ecken und Kanten - aber eines, das man entspannt geniessen kann und dem wohl auch ihr am Ende in vielen Fällen verzeihen könnt, dass es objektiv nicht den allerhöchsten Ansprüchen genügt.