Ganze Welten zu beherrschen und zu gestalten macht einen grossen Teil des Reizes von Aufbaustrategiespielen aus. In dieser Hinsicht, da dürfte es kaum zwei Meinungen geben, hat Blue Byte mit "Anno 1800" Massstäbe gesetzt. Für alle Wahnsinnigen, die bereits Hunderte von Stunden in ihre ganz persönliche Version des 19. Jahrhunderts investiert haben, gibt es die DLCs, die das Originalspiel um neue Regionen und Herausforderungen erweitern. Nach "Gesunkene Schätze" und "Botanica" rollt mit "Die Passage" jetzt das dritte, finale und zugleich auch grösste Download-Paket an. Es ist Teil des Season-Passes, kann aber, wie die anderen DLCs auch, alternativ einzeln gekauft werden.
Gar nicht mal so gemütlich: In "Die Passage" heisst euer Hauptfeind Permafrost
Um es vorwegzunehmen: Blue Byte haut hier noch einmal ordentlich einen raus, sowohl in Sachen Umfang als auch hinsichtlich der zugrundeliegenden Idee. Denn was wäre wohl eine grössere Herausforderung für all die Beherrscher und Gestalter da draussen, als sie in eine Umgebung zu versetzen, die eigentlich vollkommen unbeherrschbar ist und in der es auch rein gar nichts gibt, um sie zu gestalten? Wer "Anno" insbesondere wegen des "Aquariumeffekts" spielt, also um sein digitales Volk emsig durch beschauliche Spielwelten wuseln zu lassen, muss sich im wahrsten Sinne des Wortes warm anziehen. Denn - richtig - es geht in die Arktis!
Auf den Spuren von Sir John Franklin
Damit kommen wir zu einem zweiten Standbein jedes guten Aufbautitels: der Story. Blue Byte lehnt sich hier an die historische Geschichte der Franklin-Expedition an, benannt nach dem Polarforscher John Franklin, der sich 1845 von England aus aufmachte, die Nordwestpassage zu durchsegeln, eine Abkürzung von Europa nach Asien. Dieser rund 5'780 Kilometer lange Seeweg verbindet den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean. Dort oben im Nordpolarmeer und im kanadisch-arktischen Archipel wimmelt es nur so von Inseln, Nebenmeeren und Seestrassen - ein idealer Tummelplatz also für "Anno"-Entdecker.
Franklin und seinen Männern wurde diese lebensfeindliche Umgebung zum Verhängnis, nachzulesen unter anderem in "Der eisige Schlaf: Das Schicksal der Franklin-Expedition" von Owen Beattie oder, falls ihr die fantastische Variante bevorzugt, in Dan Simmons' grandiosem Roman "Terror" (auf dem auch die gleichnamige Amazon-Serie beruht). Was aber wäre, wenn sie nicht an Krankheit und Erschöpfung gestorben (historische Variante) oder einem erzürnten Eskimogott (fantastische Variante) zum Opfer gefallen wären, sondern auf einem der eisigen Eilande eine neue Enklave der Zivilisation errichtet hätten? Genau das könnt ihr in "Die Passage" jetzt selbst ausprobieren.
Ein neuer Anfang: Ihr startet da, wo John Franklin gescheitert ist.