Die GAMES.CH Kolumne #01-2019: Tolle Welt, mieses Game

Der grösste Makel von Anthem ist sein Genre

Artikel Video Michael

Verschwendetes Potential

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Anthem

Statt dem Spieler die Möglichkeit zu geben, in die Welt einzutauchen, die Geheimnisse dieses verrückten Planeten aufzuwühlen, die Menschen und ihr Leben kennenzulernen, wird er nur stetig in den Kampf geschickt. Eben auch aus dem einfachen Grund, da „Anthem“ eben ein Loot-Shooter ist. Es geht darum, den Spielern einen rhythmischen Spielfluss durchleben zu lassen, der durch Action und Belohnungen getrieben ist. Tatsächlich erscheint es mir fast, als wären die Welt und das Genre von „Anthem“ nicht gut vereinbar; als hätte das Team hier mit viel Liebe eine epische Kulisse für ein epochales Action-Adventure oder ein Action-Rollenspiel gebaut, das dann aber zum Zuhause einer stumpfen Schiesserei werden musste. Denn vieles was momentan nur der Staffage dient, hätte ein erzählendes Element sein können, das weiter und tiefer hätte blicken lassen können: Menschen, Ruinen und auch die Monstren. Und das macht mich wütend. Denn dass Bioware hier etwas Grossartiges hätte schaffen können, das hat das Studio in der Vergangenheit zu Genüge bewiesen. „Anthem“ wirkt wie eine verschenkte Chance.

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Es mag Zufall sein aber kurz nach dem offiziellen Start von „Anthem“ hatte sich Amy Hennig zu Wort gemeldet. Sie hatte einst die Geschichten der „Uncharted“-Games mitverantwortet und sollte bei Electronic Arts' Visceral Games ein „Star Wars“-Action-Adventure entwickeln, das jedoch später eingestellt wurde. Wie Hennig sagt, seien Einzelspieler-Games keineswegs tot. Aber es sei „schwerer und schwerer“ sie bei grossen Studios durchzubringen. Denn Publisher und viele Spieler verlangen eben nach zahlreichen Stunden an Gameplay und nicht nach einer achtstündigen Story – nach der dann einfach Schluss ist. Genau das scheint mir der grosse Fehler, dem Bioware hier erlegen ist. Denn manchmal ist es eben nicht richtig, das zu liefern, wonach alle verlangen, sondern das, was man gut kann. Und das wäre im Falle von Bioware ein episches Einzelspielerderlebnis mit einer guten Story gewesen, die der Welt Rechnung trägt, die das Studio hier mit viel Leidenschaft und Detailversessenheit geschaffen hat.

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