AppleTV+: Mythic Quest - Raven’s Banquet - Special

Wie cool kann eine Schaufel sein?

Artikel Video Steffen Haubner

Aus dem Leben gegriffen?

Man merkt "Mythic Quest: Raven's Banquet" an, dass in den Plot jede Menge Innenansichten der Branche geflossen sind. Die Beteiligung von Ubisoft erweist sich hier als Segen, aber leider sehr bald auch als Handicap. Denn so lustig die neun knapp halbstündigen Folgen auch sind, richtig wehtun wollen sie offenbar niemandem. Gelegentlicher Sarkasmus richtet sich vornehmlich gegen andere, etwa eine Medienlandschaft, in der nur noch ein einziger minderjähriger Let's-Play-Schöpfer namens "Pootie Shoe" von Bedeutung und dessen infantiles Gequatsche auch für die Entwickler Gesetz ist. Der wird häufiger mal während der Live-Übertragung von Mutti unterbrochen und verteilt statt Punkten goldene "Buttholes" - alles über zwei Buttholes ist ein "Masterpiece". (Gut, sehr weit von dieser Vision sind wir im wirklichen Leben tatsächlich nicht mehr entfernt.) Auch der an das Innere einer Galeere erinnernde Arbeitsplatz des Programmierfussvolks oder die Community-Managerin, die fast in Tränen ausbricht, als sie tatsächlich mal jemand in ihrem fensterlosen Büro besucht, sind hübsche Seitenhiebe.

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"Bitte lass' die Kritiker gnädig sein!" Das Team fiebert dem Release entgegen.

Die oft prekären Arbeitsverhältnisse in der Branche wie unsichere Beschäftigung, lange Arbeitszeiten und niedrige Löhne sind dagegen nicht wirklich Thema. Ausbeutung, Sexismus, Existenzängste und der unmenschliche Druck, der nicht selten auf den Beteiligten lastet, bleiben weitestgehend aussen vor. Stattdessen wirkt das "Mythic Quest"-Studio wie ein grosser bunter Hightech-Spielplatz, in dem oft eine merkwürdige Leere und Sterilität herrschen, die in echten Entwicklerfirmen wohl eher selten anzutreffen sind. Die meisten Protagonisten sind letztlich zudem viel zu nett und klischeehaft, um wirklich authentisch herüberzukommen. Statt einer auf neun halbstündige Episoden angelegten Feel-Good-Comedy hätte man sich etwas mehr Mut zu Ecken und Kanten gewünscht, auch auf die Gefahr hin, damit jemandem auf den Schlips zu treten.

Fazit

Trotz der Kritikpunkte ist es erfreulich, dass Apple gerade grünes Licht für eine zweite Staffel gegeben hat. Denn auch wenn die anarchische Schrägheit der legendären "IT Crowd" nicht erreicht wird und man auch keine "House of Cards"-Persiflage in der Spielebranche erwarten darf, versteht es "Mythic Quest: Raven's Banquet" doch, über 260 Minuten gut zu unterhalten. Branchen-Insider werden sicher einige Déjà-vus erleben. Gamer erhalten einen kurzweiligen Einblick in eine Branche voller vermeintlicher Traumjobs, die bei näherem Hinsehen oft gar nicht so viel anders sind, als die Arbeit in einem Büro oder einer PR-Agentur.

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