Die GAMES.CH Kolumne #07-2019: Cyberpunk 2077

Cyberpunk 2077 muss kontrovers sein, um zu funktionieren

Kolumne Video Michael

"Cyberpunk 2077" muss anecken, sonst funktioniert es nicht

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Tatsächlich haben schon jetzt einige Journalisten angemerkt, dass in der auf der E3 2019 gezeigten Demo eine durch High-Tech-Drogen gepushte und (angeblich) mehrheitlich schwarze Bodybuilder-Gang hochgenommen wird, die dazu auch noch "The Animals" heisst. Auf einem Werbeplakat ist zudem eine laszive Transfrau mit grossem Penis unter einem Anzug zu sehen - auch das hat eine kleine Debatte ausgelöst. Politisch besonders korrekt oder feinfühlig ist das freilich nicht. Aber in diesem Fall passt es, denn es ist eben auch so: "Cyberpunk", sowohl das Pen-&-Paper-Original als auch das Videospiel, setzt in einer kontroversen und kantigen Welt an, in der nahezu nichts korrekt ist und Rassismus, Sexismus, Armut sowie Ausgrenzung Alltag sind. Menschen werden abgestempelt, separieren sich, identifizieren sich über Hautfarbe, Profession und Wohlstand. Es wird unverblümt mit Sex und Gewalt geworben. Frauen, Männer und Transmenschen werden zu Lustobjekten degradiert.

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Wäre "Cyberpunk 2077" von all dem befreit, würde die Kulisse nicht funktionieren. Vor allem nicht, um zeitgenössische Themen aufzubringen und aufzuarbeiten. Es wäre wie ein Tarantino-Streifen ohne Gewalt und Blut. Die Welt des CD-Projekt-Rollenspiels ist - anders als etwa das Szenario von "Kingdom Come: Deliverance" - eine fiktive Dystopie, die erst durch die Provokation und Verschiebung von Normen eine Authentizität schafft. Nur so kann sie zum Nachdenken anregen, Ungerechtigkeiten sicht- und fühlbar machen - vielleicht nicht im Masse wie ein Roman, ein Film oder eine TV-Serie, aber immerhin. Natürlich darf und soll "Cyberpunk 2077" nicht dumpf beleidigen oder verunglimpfen - was bisher ja auch nicht passiert. Will sagen: Wenn über verschiedene Aspekte des Projektes nicht gestritten und geredet wird, geht es vielleicht als erfolgreiches Unterhaltungsprodukt durch, aber nicht als Darstellung einer Cyberpunk-Welt, als kritischer Kommentar oder gar als Kunstwerk.

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