Interview mit dem finnischen Game-Komponisten Petri Alanko

Man kann Spieler auf einer fast schon unterbewussten Ebene steuern

Interview Video Achim Fehrenbach

Was ist bei einem Videospiel-Soundtrack die grösste Herausforderung?

Screenshot

Alanko: Eine grosse Herausforderung ist: Man sollte nicht das, was schon auf dem Bildschirm sichtbar ist, noch zusätzlich kompositorisch unterstreichen. Als Medienkomponist sollte man in der Lage sein, die Story des Spiels aus der Vergangenheit zu holen – und so in Echtzeit zu interpretieren, dass sie bis in die Zukunft reicht. Man verknüpft gewissermassen die Vergangenheit und die Zukunft, während alles auf einmal passiert. Auf diese Weise kann man Spieler und ihr Verhalten auf einer fast schon unterbewussten Ebene steuern – oder auch etwas aus der Vergangenheit oder der Zukunft aufdecken. Es ist aber wirklich entscheidend, dass man nicht das unterstreicht, was schon auf dem Bildschirm zu sehen ist. Bei Schlachten etwa sollte man die Action nicht dadurch choreographieren, dass man über sie drüberkomponiert. Früher oder später sieht das nämlich ein bisschen lächerlich aus. Es wirkt albern, wenn der Held ein Schwert schwingt – und die Musik sich der Bewegung anpasst (lacht.)

Ein Soundtrack soll bestimmte Dinge aus der Vergangenheit und Zukunft kombinieren, sagen Sie. Haben Sie da ein Beispiel?¨

Screenshot
Quantum Break

Alanko: In "Quantum Break" ist es mir irgendwie gelungen, eine Brücke zu den Ursprüngen der Figuren – also von Protagonisten und Antagonist – zu bauen. Durch Gespräche mit dem Autoren-Team konnte ich eine Verbindung zur Vergangenheit herstellen. Der genaue Werdegang der Figuren wurde im Spiel nicht enthüllt. Aber weil Remedy das Storytelling sehr ernst nimmt, schufen das Studio Hintergrundgeschichten für jede Figur. Ich wollte herausfinden, was der Protagonist Jack Joyce früher gemacht hatte, warum er sich als Aussenseiter fühlte und warum er sich so von seinen College- und Universitätsfreunden entfremdet hatte. Auch der Antagonist Paul Serene war in dieser Hinsicht sehr interessant.

Wie steht es um die weibliche Hauptfigur Beth?

Beths Vergangenheit wird im Spielverlauf ziemlich deutlich. Gegen Ende wird klar, dass sie in ihrer Kindheit ihrem künftigen Ich begegnet ist – und dieses künftige Ich hat ihr erzählt, was ihr widerfahren wird und wie sie sich auf die Zukunft vorbereiten muss. Wenn du das mit deinen künftigen Plänen abgleichst und weisst, wie dein Schicksal aussiehen wird – was macht das dann mit dir? Welche Auswirkungen hat das auf deine Freundschaften, deine Ausbildung, einfach alles? Was Beth in ihrer Kindheit sah, machte sie in gewisser Weise zu einer Überlebenskünstlerin – und sie wurde dadurch schneller erwachsen. Diese Story bietet eine sehr interessante Grundlage. Für Beth lief es im Spiel zwar manchmal ziemlich gut. Aber gerade deshalb war es so faszinierend, ihrer Musik und ihrem Sound einige melancholische und ambivalente Bestandteile beizumischen. So konnte man als Spieler schon frühzeitig viel über ihr Schicksal erfahren, obwohl die genauen Umstände erst später im Spiel offengelegt wurden. Am liebsten würde ich diese Art von Hintergrundarbeit bei jeder Spielfigur betreiben – aber natürlich gibt es Games, in denen die Figuren das nicht brauchen. In einem Racing Game spielt es keine grosse Rolle, was der Fahrer im Alter von fünf oder sechs Jahren gemacht hat...

Kommentare

Features Artikel