Kingdom Come: Deliverance - Test (Teil 1)

Hart, aber herzlich

Test Video olaf.bleich getestet auf PlayStation 4

Realismus und seine Probleme

Bereits im Vorfeld betonte Entwickler Warhorse, wie viel Wert man auf Authentizität lege. Das zeigt sich nicht nur in der wirklich sehenswerten Darstellung der Umgebung, sondern in der Erzählung selbst. Gerade zu Beginn weist euch das Spiel immer wieder auf die politischen Vorgänge im Böhmen des 15. Jahrhunderts hin. Wer sich also ein Fantasy-Drama im Stile von "The Elder Scrolls V: Skyrim" erwartet hat, der liegt falsch. Hier gibt es weder Drachen noch andere Fabelgestalten. Selbst der für Rollenspiele so typische Charakterbaukasten fehlt.

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Vielmehr formt ihr Heinrich nach euren Vorstellungen und müsst auch mit den Konsequenzen leben. Diese sind teils dramatischer Natur: Skalitz wird im Zuge des Prologs von Kumanensöldnern überfallen. Heinrichs Eltern sterben und das Schwert, was eigentlich für den örtlichen Würdenträger gedacht war, wird ebenfalls gestohlen. Heinrich rettet sich mit letzter Kraft und damit öffnet sich auch die Spielwelt.

Nehmen euch zu Beginn noch die Hauptmissionen stärker an die Hand, wählt ihr wenig später frei aus Nebenquests, Aktivitäten oder treibt euch einfach nur so in den Weiten Böhmens herum. Allerdings wirft euch "Kingdom Come: Deliverance" gerade in den ersten zehn bis 15 Stunden manchen Knüppel zwischen die Beine. Besonders das Speichersystem ist – bei allem Verständnis für Authentizität – ein wahrer Graus. Wollt ihr nämlich frei abspeichern, benötigt ihr einen bestimmten Schnaps. Um diesen brauen zu können müsst ihr beim Alchemisten in die Lehre gehen. Wollt ihr ihn dagegen kaufen, benötigt ihr eine ganze Menge Groschen. Zwar startet ihr mit insgesamt drei dieser Flachmänner, doch jeder weiss wie häufig man das Spiel sichern möchte.

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Im Klartext bedeutet das: Abspeichern wird zum Luxus. Ansonsten greift ihr nämlich auf die teils merkwürdig gewählten Auto-SpeicherStände zurück, die euch gerne mal um 15 bis 20 Minuten im Spielfortschritt zurückwerfen. Auch mit viel gutem Willen ist dieser zwanghafte Hang zum Realismus nicht praktikabel und erschwert massiv den Start. Ihr müsst die Regeln eines "Kingdom Come: Deliverance" teils auf die harte Weise lernen. Der Redaktions-Heinrich etwa landete im Kerker, weil er Nachts in Rattay keine Fackel dabei hatte, wurde kurz nach einer Ladesequenz von Banditen getötet und verscherzte es sich mit seinen Vorgesetzten der Stadtwache. Aber allen Ärgernissen zum Trotz werdet auch ihr in "Kingdom Come: Deliverance" hinein finden.

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Zeit spielt auch bei den Überlebensfunktionen des Spiels eine Rolle. Heinrich bekommt Hunger oder wird bei längeren Ausflügen müde. Läuft er nach einem Kampf zu lange mit blutenden Wunden herum, verblutet er und allzu heftige Angriffe oder Sprints zehren an seiner Ausdauer und Kraft. Nahung wiederum verdirbt mit der Zeit in eurem Inventar und wird dadurch giftig. Waffen und Kleidung nutzen sich ab. Dann hilft nur ein Gang zum Schmied oder ihr probiert euch selbst am Wetzstein-Mini-Game. Und wenn ihr euch nicht zwischendurch mal an Trögen oder im Badehaus wascht, dann erntet ihr merkwürdige Reaktionen von euren Mitmenschen. Es gibt also viel zu beachten, doch letztlich macht genau das den Charme des Spiels aus.

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