Parasite - Filmkritik

Schmarotzer unter sich

Artikel Video Steffen Haubner

Das beste WLAN gibt's auf dem Klo

Aber ehe wir hier kommunistisches Gedankengut verbreiten oder, schlimmer noch, am Ende doch noch spoilern: Der Schlüssel zu "Parasite" liegt tatsächlich in dem Verhältnis von Oben und Unten, erschöpft sich aber keineswegs in plumpem Antikapitalismus. Die Sache ist weit komplizierter. Ebenso wie Bong Joon-ho unzählige Bedeutungsebenen miteinander verwebt und damit ein wahres Spinnennetz aus Hinweisen und Anspielungen erschafft, sind auch die Orte, an denen die Handlung spielt, ungemein komplex und verschachtelt. Das gilt für den heruntergekommenen - das Wort passt an dieser Stelle ganz ausgezeichnet - Stadtteil, in dem die Kims leben und der aus allerlei Treppen, Türen und Zwischenebenen besteht, wie auch für ihre Kellerbehausung, in der ausgerechnet die Kloschüssel die höchste Position einnimmt, an der man gleichzeitig den besten WLAN-Empfang hat. Auch wieder so eine doppeldeutige Anspielung. Es gilt aber noch viel mehr für das Haus der Parks mit ihren ganzen Zwischenstockwerken und toten Winkeln. Im Sinne moderner Architektur ist alles mit viel Glas und Durchbrüchen möglichst offen und transparent gestaltet - und doch alles andere als das. Eigentlich ist das gesamte Haus ein doppelter Boden.

Screenshot

Social Media mal anders: Tochter und Sohn Kim sind im WLAN der Nachbarn unterwegs

"Staircase Cinema" nennt der Regisseur das, und man verliert hier ziemlich leicht die Orientierung. Je mehr die handelnden Figuren Grenzen überschreiten, desto wichtiger werden klare Zuordnungen wie etwa die des unverwechselbaren "Stallgeruchs" (man denke an den Keller und das Insektengift), an dem man die Underdogs von den Emporkömmlingen unterscheiden kann. "Allein wie behutsam und vorsichtig 'die Armen' die Treppen heraufgehen, aber immer schnell herunter, zeigt ja, dass sie instinktiv wissen, in welche Richtung die Gesellschaft sie schickt", erklärt der Regisseur. Es ist jedoch die Grenzüberschreitung der Kims, die überhaupt erst die Grundlage für eine Geschichte liefert. Würden alle an ihrem Platz bleiben, gäbe es schlicht nichts zu erzählen. So aber verschieben sich die Positionen, neue Narrative entstehen, und alle sind gezwungen, sich einen neuen Platz in dieser Erzählung zu suchen, was immer auch bedeutet, andere Parasiten zu verdrängen.

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