Joker - Kino-Special

Zum Totlachen? Joaquin Phoenix als Schmerzensmann im Clownskostüm

Artikel Video Achim Fehrenbach

Eines vorweg: Dies ist kein Wohlfühlfilm. Keine Comic-Verfilmung, in der die Fronten zwischen Gut und Böse klar definiert sind, in der ein Oberschurke nur als Widerpart eines strahlenden Helden dient. Stattdessen ist "Joker" eine Charakterstudie, die Untiefen einer kranken Psyche schmerzhaft auslotet - und das Zusehen alles andere als angenehm macht.

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Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) ist, was gemeinhin als "Verlierer" bezeichnet wird. Der Mittvierziger lebt in einer heruntergekommenen Wohnung in Gotham City und hält sich als Miet-Clown über Wasser, der Werbeschilder durch die Luft wirbelt oder Kinder in einem Krankenhaus aufzuheitern versucht. Arthur leidet unter einer neurologischen Erkrankung, die bei ihm unkontrollierte Lachanfälle verursacht - meistens in den unpassendsten Situationen, in denen er psychisch besonders angespannt ist. Die Therapeutin, die ihm von Amts wegen zugeteilt ist, hat kein wirkliches Interesse an seinem Leben und Leiden - stattdessen stellt sie Rezepte aus, auf dass er sich mit diversen Beruhigungsmitteln vollpumpen kann. Arthur träumt von einer Karriere als Fernsehberühmtheit, dem die Massen lachend zu Füssen liegen. Er vergöttert den TV-Host Murray Franklin und dessen dröge Talkshow. In seinem tristen Dasein ist Arthur sozial weitgehend isoliert: Seine Mutter Penny ist geistig vernebelt, seine Kollegen machen sich über ihn lustig, und überhaupt ist das Gotham City des Jahres 1981 ein Ort der Verwahrlosung und sozialen Kälte. Als Jugendliche dem Werbe-Clown sein Schild klauen und ihn anschliessend in einer Nebenstrasse zusammenschlagen, denkt man unwillkürlich: Dieser arme Kerl ist ein Opfer der Gesellschaft. Zugleich erscheint Arthur von Anfang an als tickende Zeitbombe, die irgendwann zwangsläufig explodieren wird. Jede Episode seines jämmerlichen Lebens zieht ihn nur noch tiefer in den Strudel aus Wahnvorstellungen und Allmachtsfantasien.

Nicht erst seit dem Kinostart wird "Joker" weltweit heftig diskutiert. Angehörige der Opfer eines Massakers, das 2012 während einer Vorführung von "The Dark Knight Rises" in Colorado stattfand, zeigten sich in einer schriftlichen Erklärung von der bei "Joker" gezeigten Gewalt schockiert: Der Film von Todd Phillips ("Starsky & Hutch", "Hangover") könne psychisch labile Menschen zu Nachahmungstaten anstiften. In eine ähnliche Richtung geht die verschiedentlich geäusserte Kritik, dass "Joker" einen Täter als gesellschaftliches Opfer darstellt - oder auch seinen tiefen Fall als allzu platte, küchenpsychologische Notwendigkeit inszeniert. Gerade Computerspielfans kommt diese ganze Diskussion bekannt vor, werden Games doch mit unschöner Regelmässigkeit für reale Gewalttaten verantwortlich gemacht. Dennoch ist natürlich interessant, wie "Joker" die ausbrechende Gewalt seines Protagonisten darstellt: Als schier unausweichliche Reaktion auf die Aggressivität der Welt - oder als krankhaftes Handlungsmuster, das von unglücklichen Umständen ausgelöst wird. Oder anders formuliert: Rechtfertigt der Film am Ende die Rache und Selbstjustiz, die der Joker an seiner Umwelt nimmt?

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Krankhafte Lachanfälle: Arthur Fleck (Joaquin Phoenix)

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