Die GAMES.CH Kolumne #08-2017

Warum Spielejournalisten nicht „gut in Videospielen“ sein können

Artikel Video Michael

Gerade diskutieren viele darüber, wie gut Videospielredakteure eigentlich in Games sein müssen. Die Frage klingt einfach und arglos. Dabei ist sie jedoch komplex und ziemlich perfide. Eine Antwort habe ich trotzdem. Sonderlich eindeutig und klar ist die leider ebenfalls nicht – aber vielleicht hilfreich.

Mal ganz ehrlich: Warum seid ihr hier auf GAMES.CH? Wahrscheinlich, weil ihr etwas über Videospiele lesen wollt. Sei es nun zu einem bestimmten Game oder einem Titel, den ihr vielleicht erst noch entdecken werdet. Klar, aber wohl ebenso, weil ihr den Tests und Previews hier ein gewisses Vertrauen entgegenbringt und damit den Menschen, die sie schreiben. Denn hinter allem, was hier an Worten zusammenkommt, steht jedes mal ein Autor oder eine Autorin, die sich stellvertretend für euch ein Videospiel anschaut. Das ist es, worauf die Beziehung zwischen einem Videospielmagazin und den Lesern aufbaut: Vertrauen. In den USA wurde das Vertrauen zwischen einem Autor und seinen Lesern nun kräftig aufgerüttelt. Dean Takahashi von Games Beat hatte ein Video veröffentlicht, in dem er sich an dem Indie Game „Cuphead“ versucht. Er ist an dem Plattformer, wie er selbstironisch und von vornherein feststellt, „beschämend“ gescheitert. Das hat nun eine Debatte aufgebracht – an der sich auch einige geschätzte Kollegen beteiligten. „Wie gut müssen Spieleredakteure spielen können?“, das ist die zentrale Frage.

Gut oder schlecht? Vollkommener Quatsch

Eigentlich wollte ich mich an dieser Diskussion nicht beteiligen. Sie erschien mir, um ehrlich zu sein, echt albern und vollkommen überflüssig. Ist sie nämlich auch: Aber nicht gänzlich. Denn sie bietet durchaus die Möglichkeit, mal einige Themen anzureissen. Dafür zunächst noch mal zur Frage selbst: Die ist zweifelsohne ziemlich doof gestellt und nicht zu beantworten. Was soll eigentlich der Massstab sein, an dem sich das „gut in Games“ bemisst? Genügt es, die Kampagne von „Call of Duty: Infinite Warfare“ in sechs Stunden auf „Normal“ zu bewältigten oder muss dafür schon „Dark Souls 3“ mit unter 20 Toden gemeistert werden? Und: Wo auf einer „Gut“- und „Schlecht“-Skala würde ein „Starcraft“-Champion wie Jeong 'Genius' Min Soo einsortiert werden? Oder jemand, der seit 15 Jahren täglich „Counter-Strike“ spielt aber kein anderes Game anfasst? Ein pauschales „gut in Videospielen“ kann es nicht geben. Es existiert kein objektiver Mittelwert dafür. Sondern höchstens ein vollkommen subjektives Empfinden – das sich schnell relativiert, wenn man auf jemanden trifft, der ein Spiel wirklich beherrscht.

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Klar, es ist es so gut wie unvermeidbar, bei diesem Job, die Fähigkeit zu entwickeln, sich durch ein Game durchzuschlagen. Aber eine die Genres übergreifende Spielfähigkeit muss hart erarbeitet werden. Ebenso gibt es auch persönliche Abneigungen oder fehlendes Einfühlungsvermögen für diese oder jene Art von Videospiel. Seit Jahren lehne ich es ab, Serien wie „FIFA“, „PES“ oder „Madden“ zu testen. Ganz einfach, weil ich mit Sport nicht viel anfangen kann und den Reiz nicht erfasse. Auch wenn ich Rennspiele mag, wäre ich für das letzte „F1“ nicht der richtige Tester, da ich weder Fahrer noch Teams kenne. Entsprechend kann und will ich nicht beurteilen, was einen der neuesten Teile davon gegenüber den Vorgängern abhebt oder schlechter macht. Dazu hat sich das Videospiel als Medium über die vergangenen Jahre – vor allem durch die Indie-Szene – derart durch differenziert, dass ein umfassendes Verständnis und Beherrschen alle Facetten und Gameplay-Mechaniken schlichtweg unvorstellbar ist.

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