Die GAMES.CH Kolumne #08-2017

Warum Spielejournalisten nicht „gut in Videospielen“ sein können

Artikel Video Michael

„Gut sein“ heisst manchmal auch verstehen

Einige meiner Berufskollegen sind in „Overwatch“ und „Titanfall“ unschlagbar gut – denn ja, für einzelne Games lässt sich das, denke ich, durchaus feststellen. Manch einer schneidet gar ohne Probleme durch die „Dark Souls“-Saga oder schafft es, „Outlast 2“ ohne das Wechseln der Unterhose durchzustehen. Allerdings fällt es manchen dann wiederum schwer, die Taxonomie der Rätsel-Sprache von „The Witness“ zu entschlüsseln, die Geduld für das gemächliche Horror-Adventure „Observer“ aufzubringen oder im surrealen Walking-Simulator „Virginia“ mehr zu sehen als einen konfusen Wust von „What the fuck?!“-Momenten. In diesen Fällen bedeutet „gut in Videospielen“ mehr als nur Skill: Nämlich die Fähigkeit, Zeichen und Muster zu erkennen, sich vom inneren Progressionsdruck zu befreien oder einfach viel Wissen über Symbolik, David Lynch, „Akte-X“ und die Mechaniken des Storytelling angehäuft zu haben. Das Spektrum an dem, was das Medium Videospiel an Fertig- und Fähigkeiten voraussetzt, wird dahingehend immer breiter, vielfältiger und weniger „Können“-abhängig.

Von sich selbst pauschal zu behaupten, man sei „gut in Videospielen“ ist absurd. Ebenso wie der – auf einem einmaligen Scheitern aufgebaute – Vorwurf, jemand sei das nicht. Ich selbst bin recht gut in „Quake Live“, „Team Fortress 2“, „Prey“ und der „Wipeout“-Reihe – denke ich. Mir hingegen bei „Bloodborne“ – das ich sehr liebe – oder „Forza“ zu zuschauen, ist dagegen wohl keine grosse Freude. Macht das jemanden zu einem besseren oder schlechteren Redakteur? Ich weiss nicht so recht. Natürlich sollte ein Videospieljournalist spielerische Kondition mitbringen. Sie sollte aber nicht das Primat des Jobs darstellen. Ich bin überzeugt, dass vor allem das Verständnis von Videospielen, ihres narrativen, mechanischen und immersiven Potentials einen guten Videospieljournalisten definiert: Die Fähigkeit zu erfassen, was das Medium leisten kann; was ein einzelner Titel davon verwirklicht, was er aussagt und wie er sich dadurch, in der Landschaft der Videospiele verortet. Ebenso wichtig ist die Begabung, genau das den Lesern, Zuschauern oder Zuhörern auf nachvollziehbare wie vielleicht auch elegante Weise zu vermitteln. Ich hoffe, dass mir Letzteres zumindest einigermassen gut gelingt.

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