Die GAMES.CH Kolumne #10-2017

Einige erratische Worte zu Lootboxen und warum sie des Teufels sind!

Artikel Video Michael

Die Sache mit dem Glücksspiel

Extrem perfide an Lootboxen ist aber noch etwas ganz anderes. Publisher und Entwickler instrumentalisieren mit den Beutekisten ganz gezielt einen psychologischen Mechanismus, den wir aus Glücksspielen kennen. Sie machen sich die Erwartungshaltung und den Nervenkitzel der Spieler zu nutze, wenn diese eine Kiste öffnen. Unser Gehirn wird ob der Erwartung über die kommende Belohnung von Dopamin überschüttet. Unser Verstand spekuliert und hofft. Denn er weiss, irgendetwas kriegen wir: Nur, was, ist die Frage. Das erzeugt Spannung. Insbesondere wenn dieses Erlebnis mit wiederkehrenden Klängen, Effekten und einer kurzen Die-Kiste-öffnet-sich-Wartezeit verkoppelt ist. Nicht umsonst wird das Aktivieren der Lootboxen so dramatisch inszeniert. Es ist die gleiche Reaktion, die Menschen an Spielautomaten und Roulettetischen durchleben. Ob letztlich wirklich etwas von Wert in der Kiste ist? Das ist fast egal. Wer einmal eine Lootbox gekauft hat, der kann daher allzu leicht in eine kleine Sucht hinein stolpern. Denn: Hey, vielleicht kommt beim nächsten Mal mehr rum. Ach, und die paar Eure, was soll's! „Compulsion loop“ nennt sich das. Das ist arglistig und gefährlicher als sich es viele Publisher derzeit eingestehen wollen.

Nicht umsonst haben einige Gamer bereits gefordert, dass Videospiele mit Lootboxen explizit gekennzeichnet oder die Mechanik gar verboten werden müsste. Im Prinzip stellen sie ein nämlich ein Glücksspielsystem dar, das in ein Videospiel eingebettet wurde. Das ist ganz objektiv betrachtet auch nicht von der Hand zu weisen. Schliesslich investiert der Spieler echtes Geld und weiss nicht, was er nach dem Zug am Hebel für seinen Einsatz bekommt. Allerdings bleiben die Rufe nach Regulierung bisher erfolglos oder wurden von den zuständigen Stellen und Behörden ignoriert: Sowohl die deutsche USK als auch das US-amerikanische ESRB sehen kein Problem. Schliesslich, so die Begründung, würden die Spieler nicht um materielle Gegenwerte wie Geld oder ein Auto spielen. Aber das kann in einer Welt, in der virtuelle Rüstungen und Schwerter für horrende Preise auf eBay verscherbelt werden, kein Argument mehr sein. Alleinig in Grossbritannien haben sich Politiker wie Daniel Zeichner aufgemacht, zumindest eine Diskussion darüber anzustossen. Ebenso wurde auf der Insel eine Petition gestartet, in der bislang über 14.000 Unterzeichner fordern, dass betreffende Videospiele dem Glücksspielrecht unterworfen werden sollten.

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Dass eine Behörde oder ein Gesetzgeber allzu bald einschreiten wird, darauf dürfen wir wohl nicht hoffen. Stattdessen werden die Lootboxen zunächst in noch viel mehr Games auftauchen – und damit eine Unwucht in die Spielbalance und die Gamer-Gemeinschaft schlagen. Wobei der Streit darüber weitergehen und sich wohl noch intensivieren wird. Das muss er auch. Denn Season Passes und Download-Inhalte, da enthält man uns „nur“ spielerischen Mehrwert vor: Aber Lootboxen sind ein Tritt auf die Fairness und Gleichberechtigung. Jedoch werden einige Entwickler und Publisher die Kontroverse auch als Chance begreifen, sich zu profilieren und distanzieren. Wer keine Lootboxen in seinem Game hat, könnte bald „der Gute“ sein. Wieder andere könnten hingegen sogar die Möglichkeit ergreifen, selbst diese Debatte in Geld umzumünzen. Vielleicht in dem ein bezahlter Download-Inhalt die Kisten dauerhaft aus dem Spiel entfernt. Albern? Sicher. Aber unmöglich? Nein. Letztlich geht es bei Lootboxen um mehr als nur Geld. Es geht um Moral und Anstand. Denn wie viel Achtung und Respekt soll man einem Spielemacher noch entgegenbringen, der einem kein Videospiel mehr verkauft, sondern das Gegenstück zu einem Panini-Sammelalbum?

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