Die GAMES.CH Kolumne #11-2017

Warum der brutale Trailer zu The Last Of Us Part 2 einfach Mist ist!

Artikel Video Michael

Anders ist besser

Wie es anders geht, das zeigt der ebenfalls zur Paris Games Week veröffentlichte Trailer zu „Detroid: Become Human“. Der präsentiert ebenso Gewalt. Fast schon eine, die noch erschreckender ist – weil sie für viele Menschen nämlich sehr greifbar sein dürfte; vielleicht sogar real. Denn hier spielen die Entwickler verschiedene Situationen durch, in denen ein cholerischer Vater seine Tochter schlägt und ebenso gegen dessen maschinelles aber trotzdem fühlendes Kindermädchen vorgeht. Wahrscheinlich wurde eben diese Szene genau deshalb gewählt: Es sind bedrückende Bilder. Welche die durchaus verstörend sein können und im Gedächtnis bleiben. Aber sie finden in einem Gerüst statt, dass der Gewalt einen Kontext gibt. Die Gewalt ist hier nicht autotelisch oder ein Schockinstrument, sondern relevanter Bestandteil eines Handlungsstrangs. Der hat einen Anfang und ein Ende. Zwischen beiden steht ein Entwicklungsprozess, der uns über die Charaktere etwas lehrt, sie eine Evolution durchleben lässt, die in eine Auflösung – oder in diesem Fall sogar mehrere mögliche Auflösungen – führt.

Genau das gleiche gilt interessanterweise auch für den Debut-Trailer zu „The Last Of Us“ von 2011. Auch hier wird getötet. Mit einem Kantholz schlägt Joel einen Banditen nieder. Die kleine Ellie plündert dann seine Brusttasche nach Patronen für einen Revolver. Dabei entschlüsselt das kurze Video das Verhältnis des bärtigen Typen und des jungen Mädchens – natürlich nicht vollends aber so, dass wir eine Ahnung bekommen, wer sie sind. Ellie erzählt gar, wieso sie tun, was sie tun und was das für eine Welt ist, in der sie existieren – und dass sie gerne wüsste, wie es früher einmal war. Denn: Natürlich sind brutale Gewalt und erodierende Moral die Stützpfeiler und definierenden Elemente des „The Last Of Us“-Universums. Aber beide funktionieren nur im Verbund mit Themen, die sie in der Wage halten – nicht nur jenen, die uns Schmerz und Trauer ins Herz pumpten. Nämlich der Menschlichkeit, Liebe und Erlösung, die gleichsam viel prägender und gewichtiger sind. Sie machen ein Videospiel wie „The Last Of Us“ erst wertvoll. Denkt nur an die Szene mit den Giraffen!

Es ist gewiss nicht so, dass ich ein Gegner von roher oder exzessiver Gewalt in Videospielen bin. Ich liebe „Wolfenstein 2: The New Colossus“ und die „God of War“-Saga. Auch ist's so, dass Videospiele mit Gewalt umgehen können müssen – ebenso wie Film und Fernsehen. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Videospiel als Medium heranwächst und seine Macher derartiges zu handhaben wissen. Dass das funktionieren kann, das wurde ja schon zur Genüge bewiesen. Doch Ausfälle wie der „The Last Of Us Part 2“-Trailer lassen mich zweifeln. Sie kratzen auch meinem Glauben, den ich in Videospiele als erwachsenes und kulturell gereiftes Medium setze – und an jene, die sie erschaffen. Wer mit Gewalt umgeht und sie zeigt, der trägt nämlich auch die Verantwortung, dass sie nicht nur Gewalt um der Gewalt Willen ist. Genau das scheint beim „The Last Of Us Part 2“-Trailer jedoch der Fall. Ja, sicher: Es ist nur ein Trailer. Aber einer, der immerhin als Aushängeschild für den Nachfolger zu einem der besten Videospiele der letzten Jahre dient. Alleine das sollte uns zum Nachdenken bringen. Fragt euch einfach: Würdet ihr euren Eltern oder Freunden, die nichts mit Videospielen anfangen können, den „Last of Us Part 2“-Trailer zeigen, um ihnen zu beweisen, dass es Games weit gebracht haben? Oder den hier?

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*Lust auf weitere Artikel in diesem Stil? Michael schreibt regelmässig tolle Kolumnen, die ihr in seinem Channel findet. In seiner letzten Kolumne hat er sich mit dem Thema Lootboxen auseinander gesetzt. *

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