Die GAMES.CH Kolumne #05-2017

Wieso 'Walking Simulators' kein Genre sind

Kolumne Video Michael

Nicht nur narrativ

Auch Narrative Games oder Narrative Exploration Games sind als ein oft angebrachter Gegenvorschlag zur Bezeichnung der Walking Simulators nicht so recht passend. Denn mittlerweile ist diese Spieleform über ihre als unheimlich begrenzt wahrgenommene Nischenfähigkeit hinausgewachsen. Eben dem Erzählen von Geschichten. Im Indie-Experiment „A Cosmic Forest“ wandelt der Spieler durch Kaskaden von Farben, Licht und Formen und trifft auf Kreaturen, die aus einfachen geometrischen Körpern zusammengesetzt sind. In „Proteus“ wird hingegen aufs immer Neue eine frische Pixelwelt mit Tieren und Pflanzen generiert. Diese Games verzichten auf jede Art der Erklärung und Beschreibung und verlangen dem Spieler nichts ab. Selbst aus der Umgebung lässt sich hier keinerlei Geschichte akquirieren oder ein abgegrenztes Narrativ ableiten. Hier geht es alleinig um das Erfahren von sensorischen Reizen – Musik, Klänge und Bilder – und den daraus entspringenden Emotionen. Ähnliches gilt auch für weitere vermeintliche Walking Simulators oder Narrative Exploration Games wie „Il Pleut“, „Shuriken“ oder auch „v r 3“, die leider keine grosse Beachtung finden.

Was ich mit all dem sagen will? Vielleicht sind die Walking Simulators keinem reellen Genre zuschlagbar. Vielleicht widersetzen sie sich aus gutem Grund einer Einordnung in die sonst so bequem festgezurrten Kategorien. Nicht weil sie keine Spiele wären, sondern weil sie mehr von ihrer Ausdrucksform als einer klaren – und Genre-spezifischen – Mechanik definiert werden. Ein Ausdrucksform, die sich mit verschiedensten Inhalten anreichern und ausstaffieren lässt. Seien es komplexe Geschichten, minimalistische Narrative oder auch einfache Emotionserreger. Ein Medium, das so reduziert ist, dass es Grenzüberschreitungen, Erzählformen und Erfahrungsformen möglich macht, die wir vielleicht noch nicht einmal entdeckt haben. Eventuell braucht es daher auch gar keinen Namen dafür. Und wenn doch, dann sollte es eine Begrifflichkeit sein, die der Bandbreite der Möglichkeiten dieser Games gerecht wird und sie nicht degradiert. Wie wäre es mit Experience Games? Denn eine Erfahrung sind diese Spiele immer – auch für die, die sie vielleicht hassen.

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