Die GAMES.CH-Kolumne #08-2020: Künstliche Intelligenz in Games

Wie künstliche Intelligenz die Entwicklung von Videospielen verändert

Kolumne Video Michael

Künstliche Intelligenz spielt bereits jetzt eine Rolle

Dass Studios in Sachen künstlicher Intelligenz noch zögernd agieren, ausprobieren und testen, heisst aber keineswegs, dass künstliche Intelligenz nicht bei der Entwicklung von modernen Games zum Einsatz kommt. Ganz im Gegenteil sogar. Allerdings geschehe das nahezu unsichtbar, wie Yves Jacquier sagt. "Wenn du es bemerken würdest, dann müssten wir unsere Arbeit besser machen", lacht der Kanadier. "Es ist, als würdest du bei einem Magier erkennen, wie der Trick funktioniert." Beispielsweise steckt in "Assassin's Creed Odyssey" die Arbeit von gleich mehreren Prototypen von KI-Systemen, die Ubisoft La Forge ausgearbeitet hat. Unter anderem eine Technik, die die Lippenbewegungen von Charakteren ganz automatisch an die gesprochenen Texte anpasst.

Spricht ein Charakter in einer lokalen Sprachversion Französisch oder Deutsch statt Englisch wie im Original, bewegt sich sein Mund passend dazu - ohne dass Animationskünstler unzählige Stunden an Zusatzarbeit aufbringen mussten. Ein anderes Beispiel: Die La-Forge-Mitarbeiter haben einen Audio-Deepfake in "Odyssey" hineingeschmuggelt. "Alle Stimmen für die Discovery Tour wurden klassisch im Studio aufgenommen", sagt Yves Jacquier. "Abgesehen von einer Stimme, der englischen Frauenstimme auf der Wein-Tour." Die wurde mit einem KI-Sprachsynthesizer erstellt. Sie ist also nicht echt, sondern kommt zu 100 Prozent aus dem Computer - ohne dass es bislang jemand gemerkt hat.

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In den kommenden Ubisoft-Games sollen noch zahlreiche weitere Experimente mit künstlicher Intelligenz stattfinden. Welche genau, da ist Jacquier zurückhaltend. Jedoch arbeitet La Forge unter anderem daran, komplexe Physiksimulationen von einer künstlichen Intelligenz berechnen zu lassen. Ebenso werkelt die Gruppe an einer Idee, um glaubhafte Hauttexturen von einem KI-System erstellen zu lassen. Aber Yves Jacquier sagt auch, dass La Forge an einem Thema dran ist, das viele Spieler immer wieder diskutieren lässt: wie unrealistisch und absurd sich der Verkehr in vielen Open-World-Games wie der "Watch Dogs"-Reihe doch anfühlt.

"Wir arbeiten daran, tatsächlich", sagt der Kanadier. Eine klassische Wenn-dann-KI, die Autokolonnen und Passanten durch fiktive Städte lenkt, könne theoretisch durch ein KI-Modell ersetzt werden, das mit sogenanntem verstärktem Lernen erzeugt wird. Dabei wird einer künstlichen Intelligenz eine Reihe von Zielen vorgegeben - beispielsweise bis ans Ende einer Strasse zu fahren, ohne einen Unfall zu bauen. "Der KI-Agent [also der virtuelle Fahrer] wird dann verschiedene Möglichkeiten ausprobieren und die Resultate auswerten", sagt Yves Jacquier. Mit jedem Erfolg bekommt er eine Art "digitaler Belohnung" und lernt dadurch, immer besser zu werden. "Das ist etwas, das wir mit Autos versucht haben", sagt er. "Aber auch mit einem Schwarm von Drohnen in einer 3D-Umgebung."

Andere Videospielgrössen werkeln an ganz ähnlichen Projekten und Konzepten, sei es Activision Blizzard, Square Enix oder Electronic Arts. Ein grosses Studio arbeitet etwa an einer Methode, um komplette Gesichter für Charaktere in einem Open-World-Game von künstlichen Intelligenzen erstellen zu lassen, um dem Problem entgegenzuwirken, dass einem immer wieder die gleichen Menschen auf der Strasse begegnen. Aber auch kleinere Studios wagen sich an das Thema heran. Im Motorrad-Rennspiel "MotoGP 19" fuhren statt traditionell programmierter Computergegner nun echte KI-Kontrahenten mit den Spielern um die Wette, die auf den digitalen Strecken trainiert worden waren, um besser zu werden - und sich dadurch deutlich menschlicher anfühlen.

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