Wolfenstein: Youngblood - Test/Review

Krawallschwestern in der Stadt der Liebe

Test Video Michael getestet auf PlayStation 4

Story, wo bist du?

Das rund 25 Spielstunden umfassende "Youngblood" mag mit den interessanten Neuerungen und sichtbaren Ambitionen leider trotzdem nicht an die Vorgänger heranreichen. Viele der Missionen wirken simpel gestrickt, können nicht mit Überraschungen aufwarten und gliedern sich eher unmotiviert hinter- und nebeneinander. Wo "The New Colossus" mit irrsinnigen Momenten - es seien nur "Kopf ab!" und "Hitler" erwähnt - aufwartet, plätschert das Geschehen hier lasch und seicht dahin. Zwar gibt es die eine oder andere Überraschung, doch lockt das nicht unbedingt zum Weiterspielen. Echte Leck-mich-am-Arsch-Levels wie der Mond und die Venus sucht man ausserdem vergebens. Ebenso mag "Youngblood" bis zur letzten halben Stunde nicht verständlich erklären, was genau nun in Paris abgeht und welche Folgen das eigene Tun hat. Das kann nach all den Randmissionen und Kämpfen irritieren und sogar entmutigen.

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Trotzdem gibt es einige Momente, die in Erinnerung bleiben werden sowie die durchgeknallten Zwillingsschwestern als Menschen greifbar und verdammt liebenswert machen: Wenn die Mädchen etwa zwischen den Missionen ihre Schutzhelme lüften, sich freudig zu einem "Scheisse, ja!" abklatschen oder mal wieder trotz aller Explosionen überleben und darüber schwatzen, wie peinlich es war, als ihre Mutter sie aufklären wollte. Am besten kommt es jedoch, wenn sie einander inmitten des Gefechtes liebevolle Beleidigungen an den Kopf werfen ("Fick dich, Schwester!", "Ja, ich liebe dich auch, Jess!") - da scheint am stärksten der Teenager-Abenteuer-Flair im 1980er-Stil durch. Natürlich wären da noch die skurrilen und für "Wolfenstein" typischen Details, die die fiktive Alternativwelt ausmachen, die Nazikultur hochnehmen und ironisch brechen, darunter eine Karaoke-Sauna, "Snake"-, "Frogger"- und "Missile Command"-Arcade-Automaten namens "Wurstwurm", "Frosch Patsch" und "Raketenabwehr" oder ein "Elite Hans"-Automat, die Nazifassung von "Wolfenstein 3D". Sowieso ist "Youngblood" ein detailverliebtes Spiel. Die Optik mag "The New Colossus" nicht gerade überstrahlen, doch schaffen es die Macher, in einigen Arealen mit Licht und Schatten fantastische Szenerien zu zaubern.

Fazit

Es ist auffällig, dass "Wolfenstein: Youngblood" mehr sein soll, als nur ein Koop-Shooter-Ableger der "Wolfenstein"-Reihe. Tatsächlich sind viele Aspekte durchaus ambitioniert. Die vertikale Gestaltung der Levels, die offene Struktur und das Rollenspiel-artige Progressionssystem sind interessant, mögen allerdings nicht gänzlich mit dem Spielfluss und der Geschwindigkeit, die der Neustart der "Wolfenstein"-Saga vorgelegt hat, harmonieren. Hier wäre vielleicht weniger Innovations- und mehr Story-Wille besser gewesen, denn es waren die Geschichte und die Charaktere, die "Wolfenstein: The New Order" und "The New Colossus" besonders machten. Das fehlt. Nichtsdestoweniger ist "Youngblood" ein spassiger Ego-Shooter - zumindest, wenn ein menschlicher Mitstreiter dabei ist.

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Für unseren Test wurde übrigens die deutsche Sprachfassung genutzt, die ohne Hakenkreuze und Hitlerbärtchen auskommt. Die internationale Fassung mit englischer Tonspur kommt dagegen mit Hakenkreuzen, SS-Runen und weiteren pikanten Details.

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