Alan Wake II – Test / Review

Déjà-vus im Stockdunklen

Test Video Steffen Haubner getestet auf PlayStation 5

Wann habt ihr zuletzt ein Spiel damit angefangen, als untersetzter, älterer Mann völlig nackt aus den Fluten eines Sees zu steigen - und das auch noch mitten in der Nacht? Mit dieser irritierenden Eingangssequenz hat "Alan Wake II" schon mal ein Alleinstellungsmerkmal. Und so viel vorab: An verstörenden Sequenzen herrscht auch im zweiten Teil der interaktiven Stephen-King-Hommage kein Mangel! Gut 13 Jahre ist es her, dass "Alan Wake" exklusiv für Microsofts Xbox 360 erschien - damals sehr zum Leidwesen der PC-Gamer, die sich ein echtes Grafikmonster erhofft hatten und von dem Exklusiv-Deal kalt erwischt wurden. Sie mussten noch zwei Jahre warten, bis "Alan Wake" für Windows erschien, und erst anno 2021 kamen PlayStation-Spieler dank einer Remastered-Version zum Zug. "'Alan Wake' ist kein 'GTA' in der Nadelwaldidylle, sondern ein streng lineares Action-Abenteuer mit kinoreifer, perfekt konstruierter und zeitlich abgestimmter Geschichte", heisst es in einer Rezension aus dem Jahr 2010.

Die Beschreibung trifft für "Alan Wake II" ebenfalls den Nagel auf den Kopf, und auch sonst ereilen uns Déjà-vus im Minutentakt. Das geht los mit den zahlreichen Referenzen zu Literatur, Filmen und Serien. Gleich zu Beginn verfolgen wir eine Autofahrt durch tiefe Wälder aus einer Vogelperspektive, und es gibt sicher kaum einen Horrorfan, dem dabei nicht augenblicklich Stanley Kubricks Geniestreich "Shining" in den Sinn kommt. Der Vorspann von "Twin Peaks", der Mutter aller Quality-TV-Serien, wird unter anderem in Gestalt eines Ortsschildes am Strassenrand ins kollektive Bewusstsein gerufen. Das legendäre Meisterwerk von David Lynch war, man muss es eigentlich gar nicht mehr erwähnen, absolut prägend für so ziemlich alles, was danach an Serien kam. Und bei Remedy macht niemand einen Hehl daraus, dass neben King auch Lynch zu den ganz grossen Einflüssen des finnischen Studios zählt.

Willkommen zurück in Bright Falls

Screenshot
Die Einwohner von Bright Falls sind leider alles andere als gesprächig. Man kann das als Kunstgriff sehen - oder aber bedauern, dass man sich bei Remedy mit den NPCs nicht etwas mehr Mühe gegeben hat.

Doch Remedy schöpft hier nicht nur aus externen Quellen, sondern knüpft direkt da an, wo das erste "Alan Wake"-Game aufgehört hat. Die zwischenzeitlich erschienenen und etwas anders gelagerten Ableger lassen wir hier mal aussen vor. Das geht bis zum direkten Selbstzitat. So startet die Reise abermals im an einem See vor eindrucksvollem Bergpanorama gelegenen Städtchen namens Bright Falls im Bundesstaat Washington. Es geht hier also schon sehr kanadisch zu, inklusive Bären, Hirschjagd und Holzfällerhemden tragender Hinterwäldler. Leider kann man mit keinem von ihnen reden, was dem Realismus doch etwas schadet und es recht sinnlos erscheinen lässt, dass man sich innerhalb der Ortsgrenzen frei bewegen kann. Was Remedy hier aber schon allein optisch auffährt, ist tatsächlich überwältigend. Der Detailreichtum, jedoch vor allem die von einer dramatischen Beleuchtung zusätzlich befeuerte Atmosphäre erzeugen die eine oder andere Gänsehaut und bereiten einen damit perfekt auf das vor, was da noch folgen soll. Und ja, "Alan Wake II" ist bei allen sonstigen Unterschieden eine direkte Fortsetzung des ersten Teils, ohne die Kenntnis desselben vorauszusetzen.

Nur um das Ganze etwas einzuordnen, ohne viel von der Spannung zu nehmen, gehen wir nachfolgend ganz kurz (versprochen!) auf die Handlung ein. Alan Wake wurde uns bereits im ersten Teil als ein von seinem eigenen Werk besessener und damit hadernder Schriftsteller vorgestellt, dessen Figuren so lebendig erdacht sind, dass sie sich gern mal selbstständig machen und der Imagination ihres Schöpfers vorauseilen. So ist es auch diesmal, wobei uns Alan selbst erst nach mehr als zwei Stunden zum ersten Mal begegnet. Wieder changiert seine Figur drastisch zwischen Heldenmut und Wahnsinn. Dass sich hier mal kein vor Selbstbewusstsein strotzender Held ins Geschehen stürzt, sondern eine ambivalente Figur, deren wahrer Kern letztlich ein Rätsel bleibt, spricht für ihn und lädt sicher mehr zur Identifikation ein als das übliche glattgebügelte Standardpersonal, das immer auf der richtigen Seite steht.

Kommentare

Alan Wake 2 Artikel