Die GAMES.CH Kolumne #04-2018

Was wir aus der „Kingdom Come: Deliverance”-Debatte mitnehmen können

Artikel Video Michael

Nein, so einfach ist's dann nicht...

Daniel Vávra vergleicht die feministische Kritik von Anita Sarkeesian an der Videospielbranche mit den Bücherverbrennungen durch die Nazis und sieht „Political Correctness” als Versuch der Zensur und Meinungsunterdrückung. Ebenso hängt er offensichtlich historischen Verschwörungstheorien, einem „White Supremacy“-Denken an und forderte auf Twitter schon einmal, dass ein Land ein politisches „Vorrecht auf die Deutung der eigenen Historie“ haben sollte. Das sind nicht nur kontroverse und strittige Meinungen. Nein, sie sind stellenweise auch arg verblendet, zeigen rechtsnationalistische Tendenzen und sind damit vielleicht sogar gefährlich. Oder ums diplomatisch auszudrücken: Daniel Vávra mag ja ein netter Kerl sein – wie Stephen Totilo ihn 2015 für Kotaku beschrieb – aber er vertritt Ideologien, die keineswegs zeitgemäss sind. Die Fragen sind da nun: Was hat Daniel Vávra mit „Kingdom Come: Deliverance“ gemacht? Ist es ein Faschisten-Videospiel? Sollte das Game boykottiert werden? Oder müssen Entwickler und Produkt vollkommen getrennt betrachtet werden? Meine Antworten darauf: Ein bisschen was, natürlich. Nein. Nein. Und: Nein.

Natürlich wäre es Unfug das Videospiel pauschal zu boykottieren – was bei 1 Million verkauften Exemplaren offenkundig auch nicht getan wird. Denn damit würde ein gesamtes Studio für die Haltung eines einzelnen Entwicklers in Haftung genommen. Wobei freilich die Frage gestattet sein muss, wie das Studio nun intern mit der zurückliegenden Debatte umgeht – und ob daraus Konsequenzen gezogen werden. Zudem lässt sich nicht sagen, wie stark Vávra und sein Denken das finale Werk überhaupt prägten. Denn „Kingdom Come“ lässt abseits des Fehlens farbiger Charaktere durchaus auch einige progressive und liberale Ansichten durchscheinen. Aber auch wenn Vávra nur einer der Entwickler war, so war er doch auch in einer richtunggebenden Position tätig und hatte damit sicher auch Einfluss auf zahlreiche Elemente und Facetten des Games. Daher sollten die Spieler die Kontroverse durchaus im Hinterkopf behalten, wenn sie sich durch das mittelalterliche Böhmen schlagen. Auch wenn nur unbewusst und nicht massgeblich, so prägt unser Denken doch immer auch das, was wir erschaffen – selbst wenn dies in einem grossen Team stattfindet. Wie eine virtuelle Welt gestaltet ist, wie sie angefüllt wird, wie ihre Figuren handeln und ausschauen, das spiegelt stets die Menschen wieder, die dahinterstehen.

Kommentare

Kolumnen Artikel